Heute gibt's mal wieder Recht und Unrecht und zwar zu einem brandaktuellen Thema: Muss die hintere Scheibe beim Auto eisfrei sein oder nicht? Bei der Serie Recht und Unrecht werden Fragen unserer Leser vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser beantwortet.
Das Thema ist hoch aktuell. Anlässlich der Aktion Eskimo kontrollierte die Schaffhauser Polizei in der Zeitspanne von Montag, 12.01.2015, bis Freitag 06.02.2015 insgesamt 698 Motorfahrzeuge im ganzen Kanton Schaffhausen in Bezug auf die Thematik „Gucklochfahren“. Davon mussten 41 Motorfahrzeuge bzw. deren Zustand beanstandet werdet. 7 Motorfahrzeuge wurden mit vereisten Front- und Seitenscheiben gelenkt, was klar verboten ist. Die fehlbaren FahrzeuglenkerInnen wurden zuhanden der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen verzeigt.
Welche Scheiben müssen komplett eisfrei sein?
Die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben müssen immer komplett eisfrei sein. Sind die Fahrzeugscheiben also vereist, so müssen die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben freigekratzt werden. Auf die beiden hinteren Seitenscheiben und die Heckscheibe kann verzichtet werden, wenn zwei Aussenspiegel am Fahrzeug angebracht sind, welche die Sicht nach hinten ermöglichen, also nicht beschlagen oder vereist sind.
Hierzu gibt es auch ein klares Merkblatt Winterzeit der Kantonspolizei St. Gallen, auf welches wir hier gerne verweisen:
Zwingend eisfrei müssen also die Frontscheibe sowie die beiden vorderen Seitenscheiben sein. Zudem müssen die beiden äusseren Seitenspiegel klare Sicht nach Hinten ermöglichen. Dies wird auch hier nochmals in der Sendung SRF Espresso so bestätigt. Wir empfehlen natürlich, für den vollen Überblick sämtliche Scheiben komplett freizukratzen - auch für kurze Fahrten und auch wenn die Zeit drängt. Tangierte Rechtsnormen v.a.: Art. 29 SVG (Strassenverkehrsgesetz) und Art. 57 Abs. 2 VRV (Verkehrsregelverordnung).
Muss das Dach vom Auto vom Schnee befreit werden?
Ja, es muss grundsätzlich das gesamte Auto vom Schnee befreit werden, auch das Dach, die Motorhaube, die Nummernschilder (= Kontrollschilder) sowie auch die Lichter wie etwa Front-Scheinwerfer, Rücklicht, Bremslicht, Blinker usw. (siehe Art. 29 SVG sowie Art. 57 Abs. 2 VRV). Der Grund, wieso der Schnee vom Autodach entfernt werden muss, ist, dass der Schnee bei einer Bremsung auf die Frontscheibe rutschen ober bei schneller Fahrt den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer behindern könnte.
Rechtliche Konsequenzen bei Nichtbefolgen:
Das Bundesgericht hat schon mehrfach bestätigt, dass jemand, der nur mit einem Guckloch Auto fährt, durch die stark eingeschränkte Sicht sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet und deshalb grobfahrlässig handelt. Bei einem Unfall ist die Versicherung aufgrund der grobfahrlässigen Schadensverursachung berechtigt, die Leistungen zu kürzen und auf den Unfallverursacher Rückgriff zu nehmen. Gucklochfahren ist also gefährlich und teuer.
Auch ein Gucklochfahrer-Entscheid aus dem Kanton Schaffhausen wurde vom Bundesgericht bestätigt, bei dem das Schaffhauser Obergericht von Grobfahrlässigkeit bei Gucklochfahren ausgegangen war:
Ein Autofahrer war am 2. Februar 2006 auf der Schaffhauserstrasse in Beringen von der Schaffhauser Polizei angehalten worden. Die Frontscheibe seines Autos war mit einer Eisschicht bedeckt. Nur auf Augenhöhe hatte er ein Guckloch von rund 15 x 25 Zentimeter Grösse freigekratzt. Die Seitenscheiben waren ebenfalls vereist.
Das Schaffhauser Obergericht sprach ihn dafür 2008 der groben Verkehrsregelverletzung aufgrund des Führens eines nicht betriebssicheren Autos schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 100 Franken und 400 Franken Busse. Das Bundesgericht hat den Entscheid des Obergerichtes Schaffhausen am 16. Januar 2009 bestätigt und die Beschwerde des Autofahrers abgewiesen (SHPol Meldung dazu hier).
Wer mit eingeschränktem Sichtfeld Auto fährt, dem droht nicht nur eine Busse, er muss auch damit rechnen, dass ihm der Führerausweis entzogen wird. Bei einem völligen Verzicht auf das Enteisen ist von einer schweren Widerhandlung auszugehen und mit einem Entzug des Führerscheins von mindestens drei Monaten zu rechnen (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG). Bei einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerschein für mindestens einen Monat entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Die Mindestentzugsdauer darf auch bei ungetrübtem automobilistischem Leumund nicht unterschritten werden.
Besteht in der Schweiz eine Winterreifenpflicht?
Eine explizite Gesetzesnorm, welche eine generelle Winterreifenpflicht in den Wintermonaten vorschreibt, existiert in der Schweiz nicht. Es gibt jedoch grundsätzliche Gesetzesnormen, welche die Winterreifen tangieren. Art. 29 SVG zur Betriebssicherheit besagt, dass Fahrzeuge nur in betriebssicherem und vorschriftsgemässem Zustand verkehren dürfen. Sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und dass Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenutzer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden.
Winterreifen wurden für Strasseneinsätze unterhalb von 7 Grad Celsius entwickelt und sind im Vergleich zu den Sommerreifen mit einer weicheren Gummimischung bestückt. Somit reduziert sich der Bremsweg und die Haftung auf nassen, vereisten und verschneiten Strassen wird verbessert.
In BGE 6S.17/2007 hielt das Bundesgericht fest, dass sich ein Fahrzeuglenker mit Sommerpneus im Winter auf verschneiten Strassen wegen der Verletzung der Artikel 29 und 31 SVG strafbar machen kann. Der betreffende Fahrzeugführer hätte die verschneite Strasse laut Bundesgericht mit seinen Sommerreifen nicht benutzen dürfen, da er mit diesen Reifen nicht angemessen auf die durch Schnee und Eis hervorgerufenen Gefahren reagieren könne. Bei Personen, welche zur Winterzeit ein Fahrzeug mit Sommerreifen lenken und in einen Strassenverkehrsunfall verwickelt sind, können die Haftpflicht- und Kaskoversicherungen ggf. Leistungen kürzen oder Kosten an den Fahrzeuglenker übertragen. Mögliche Konsequenzen sind zudem ein Führerscheinentzug von mindestens einem Monat sowie weitere Bestrafungen wie Bussen und Geldstrafen nach Tagessätzen.
Die Winterreifen müssen zudem eine Profiltiefe von mindestens 1.6mm aufweisen (Art. 58 Abs. 4 VTS - Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeugen).
In der Schaffhausen.net Serie "Recht und Unrecht" werden in regelmässigen Abständen Rechtsfragen von allgemeinem Interesse behandelt, die uns unserer Blogleser einsenden. Die aktuelle Frage zum Verkehrsrecht wurde vom Schaffhauser Rechtsanwalt Beat Hochheuser (www.hochheuser.ch) beantwortet. Weitere Fälle und Lösungen finden sich auf seiner Homepage im Recht-Blog.
Die Ausführungen sind auch für eine juristisch ungeschulte Leserschaft zugeschnitten und loten aus diesem Grund natürlich nicht alle sich stellen Problemfelder aus. Auf Hinweise zu unterschiedlichen Meinungen in Lehre und Rechtsprechung wird deshalb mit Absicht verzichtet. Die Ausführungen dienen ausschliesslich informativen Zwecken. Sie sind allgemeiner Natur und dürfen nicht als verbindliche Rechtsauskunft verstanden werden.
Vielen Dank für die zahlreichen neuen Fragen und Themenvorschläge, welche eingereicht wurden. Wir werden sie nach und nach hier behandeln. Wunschthemen für künftige Ausgaben können wie immer per Email an uns übermittelt werden (siehe Blogimpressum auf der rechten Seite). Fragen von möglichst allgemeinem Interesse und hoher Aktualität haben die besten Chancen.
Eiskratzen im Winter gehört derzeit für Autofahrer zum täglichen Brot (Foto: SHPol) |
Welche Scheiben müssen komplett eisfrei sein?
Die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben müssen immer komplett eisfrei sein. Sind die Fahrzeugscheiben also vereist, so müssen die Frontscheibe und die beiden vorderen Seitenscheiben freigekratzt werden. Auf die beiden hinteren Seitenscheiben und die Heckscheibe kann verzichtet werden, wenn zwei Aussenspiegel am Fahrzeug angebracht sind, welche die Sicht nach hinten ermöglichen, also nicht beschlagen oder vereist sind.
Hierzu gibt es auch ein klares Merkblatt Winterzeit der Kantonspolizei St. Gallen, auf welches wir hier gerne verweisen:
Muss ich die Heckscheibe freikratzen? Merkblatt Kapo SG |
Muss das Dach vom Auto vom Schnee befreit werden?
Ja, es muss grundsätzlich das gesamte Auto vom Schnee befreit werden, auch das Dach, die Motorhaube, die Nummernschilder (= Kontrollschilder) sowie auch die Lichter wie etwa Front-Scheinwerfer, Rücklicht, Bremslicht, Blinker usw. (siehe Art. 29 SVG sowie Art. 57 Abs. 2 VRV). Der Grund, wieso der Schnee vom Autodach entfernt werden muss, ist, dass der Schnee bei einer Bremsung auf die Frontscheibe rutschen ober bei schneller Fahrt den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer behindern könnte.
Rechtliche Konsequenzen bei Nichtbefolgen:
Das Bundesgericht hat schon mehrfach bestätigt, dass jemand, der nur mit einem Guckloch Auto fährt, durch die stark eingeschränkte Sicht sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet und deshalb grobfahrlässig handelt. Bei einem Unfall ist die Versicherung aufgrund der grobfahrlässigen Schadensverursachung berechtigt, die Leistungen zu kürzen und auf den Unfallverursacher Rückgriff zu nehmen. Gucklochfahren ist also gefährlich und teuer.
Auch ein Gucklochfahrer-Entscheid aus dem Kanton Schaffhausen wurde vom Bundesgericht bestätigt, bei dem das Schaffhauser Obergericht von Grobfahrlässigkeit bei Gucklochfahren ausgegangen war:
Ein Autofahrer war am 2. Februar 2006 auf der Schaffhauserstrasse in Beringen von der Schaffhauser Polizei angehalten worden. Die Frontscheibe seines Autos war mit einer Eisschicht bedeckt. Nur auf Augenhöhe hatte er ein Guckloch von rund 15 x 25 Zentimeter Grösse freigekratzt. Die Seitenscheiben waren ebenfalls vereist.
Das Schaffhauser Obergericht sprach ihn dafür 2008 der groben Verkehrsregelverletzung aufgrund des Führens eines nicht betriebssicheren Autos schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen à 100 Franken und 400 Franken Busse. Das Bundesgericht hat den Entscheid des Obergerichtes Schaffhausen am 16. Januar 2009 bestätigt und die Beschwerde des Autofahrers abgewiesen (SHPol Meldung dazu hier).
Wer mit eingeschränktem Sichtfeld Auto fährt, dem droht nicht nur eine Busse, er muss auch damit rechnen, dass ihm der Führerausweis entzogen wird. Bei einem völligen Verzicht auf das Enteisen ist von einer schweren Widerhandlung auszugehen und mit einem Entzug des Führerscheins von mindestens drei Monaten zu rechnen (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG). Bei einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerschein für mindestens einen Monat entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Die Mindestentzugsdauer darf auch bei ungetrübtem automobilistischem Leumund nicht unterschritten werden.
Besteht in der Schweiz eine Winterreifenpflicht?
Eine explizite Gesetzesnorm, welche eine generelle Winterreifenpflicht in den Wintermonaten vorschreibt, existiert in der Schweiz nicht. Es gibt jedoch grundsätzliche Gesetzesnormen, welche die Winterreifen tangieren. Art. 29 SVG zur Betriebssicherheit besagt, dass Fahrzeuge nur in betriebssicherem und vorschriftsgemässem Zustand verkehren dürfen. Sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und dass Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenutzer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden.
Winterreifen wurden für Strasseneinsätze unterhalb von 7 Grad Celsius entwickelt und sind im Vergleich zu den Sommerreifen mit einer weicheren Gummimischung bestückt. Somit reduziert sich der Bremsweg und die Haftung auf nassen, vereisten und verschneiten Strassen wird verbessert.
In BGE 6S.17/2007 hielt das Bundesgericht fest, dass sich ein Fahrzeuglenker mit Sommerpneus im Winter auf verschneiten Strassen wegen der Verletzung der Artikel 29 und 31 SVG strafbar machen kann. Der betreffende Fahrzeugführer hätte die verschneite Strasse laut Bundesgericht mit seinen Sommerreifen nicht benutzen dürfen, da er mit diesen Reifen nicht angemessen auf die durch Schnee und Eis hervorgerufenen Gefahren reagieren könne. Bei Personen, welche zur Winterzeit ein Fahrzeug mit Sommerreifen lenken und in einen Strassenverkehrsunfall verwickelt sind, können die Haftpflicht- und Kaskoversicherungen ggf. Leistungen kürzen oder Kosten an den Fahrzeuglenker übertragen. Mögliche Konsequenzen sind zudem ein Führerscheinentzug von mindestens einem Monat sowie weitere Bestrafungen wie Bussen und Geldstrafen nach Tagessätzen.
Die Winterreifen müssen zudem eine Profiltiefe von mindestens 1.6mm aufweisen (Art. 58 Abs. 4 VTS - Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeugen).
Rechtsanwalt Beat Hochheuser, Schaffhausen |
Die Ausführungen sind auch für eine juristisch ungeschulte Leserschaft zugeschnitten und loten aus diesem Grund natürlich nicht alle sich stellen Problemfelder aus. Auf Hinweise zu unterschiedlichen Meinungen in Lehre und Rechtsprechung wird deshalb mit Absicht verzichtet. Die Ausführungen dienen ausschliesslich informativen Zwecken. Sie sind allgemeiner Natur und dürfen nicht als verbindliche Rechtsauskunft verstanden werden.
Vielen Dank für die zahlreichen neuen Fragen und Themenvorschläge, welche eingereicht wurden. Wir werden sie nach und nach hier behandeln. Wunschthemen für künftige Ausgaben können wie immer per Email an uns übermittelt werden (siehe Blogimpressum auf der rechten Seite). Fragen von möglichst allgemeinem Interesse und hoher Aktualität haben die besten Chancen.
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